Im Eschweiler Ortsteil Dürwiß begann im Jahr 2015 der Bau der ersten Faktor X Siedlung. Bei dem Pilotprojekt hat die Stadt gemeinsam mit den Partnern RWE Power AG und der Entwicklungsgesellschaft indeland eine ca. 3,7 ha große Freifläche mit rund 60 Grundstücken umgesetzt. Das Ziel: Bei der städtebaulichen Entwicklung, der Erschließung des Gebietes und der Bebauung soll der Verbrauch an Ressourcen deutlich, aber mindestens um den Faktor 2 reduziert werden.

Dabei werden sämtliche Verbräuche, die bei der Gewinnung, Herstellung und Entsorgung der Baumaterialien und Anlagentechnik entstehen, betrachtet. Dieser Lebenszyklus beginnt bei der Erschließung, umfasst den Bau der Gebäude, den Betrieb sowie einen eventuellen Abriss, einschließlich des möglichen Recycling.

Große Mengen nicht nachwachsender Rohstoffe und nicht erneuerbarer Energie werden vor allem durch die Verwendung alternativer Baustoffe wie Holz, Recyclingbeton und natürlicher Dämmstoffe eingespart. Eine weitere Strategie ist das umnutzungsfreundliche Bauen: Durch einen modularen Aufbau der Wohngebäude ist es möglich, dass der Wohnraum den verschiedenen Lebensphasen der Bewohner:innen ohne erheblichen Ressourcen- und Kostenaufwand angepasst werden kann.
Auch die Berücksichtigung der Lage des Gebäudes auf dem Grundstück trägt dazu bei, den gewünschten Faktor zu erreichen: Die gewählte Baustruktur ermöglicht die Errichtung von Wohngebäuden mit einer energetisch günstigen südlichen bzw. westlichen Ausrichtung. Hinzu kommt selbstverständlich der Einsatz von Ökostrom. Die ressourcenschonende Bauweise zeigt sich auch in Innenausbau. Es werden beispielsweise wassersparende Armaturen verbaut und die Beleuchtung wird von Anfang an energieeffizient geplant.

Nun wird der klimafreundliche Wohnungsbau in Eschweiler in einem zweiten Faktor X-Baugebiet „Westlich Vöckelsberg“ am Rande des Stadtzentrums fortgeführt. Dort sollen zukünftig 80 Wohneinheiten auf einer Fläche von ca. vier Hektar entstehen. Die Wärmeversorgung des Gebietes erfolgt nahezu klimaneutral über ein Nahwärmenetz, das durch eine Holzpelletanlage gespeist wird. In unmittelbarer Nähe befinden sich eine ÖPNV-Anbindung sowie die Innenstadt von Eschweiler mit einer breiten Versorgungsinfrastruktur und sozialen Angeboten wie Schulen und Kitas.

Die fachliche Federführung liegt bei der Faktor X Agentur, eine Fachabteilung der Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH. Sie wird die einzelnen Bauvorhaben auch diesmal darauf prüfen, ob sie die Umweltkriterien der Faktor X-Idee einhält. Für den Verkauf der Grundstücke sind die Strukturförderungsgesellschaft, eine 100-prozentige Tochter der Stadt Eschweiler, sowie die RWE Power AG zuständig.

Die Agentur hat auch das Klima- und Ressourcenschutztool KuRT entwickelt. Das digitale Werkzeug dient der Ermittlung des direkten und indirekten Ressourcenverbrauchs bereits während der frühen Planungsphase. Das Konzept von KuRT ist die Zerlegung des Gebäudes in wenige Baugruppen: Zu jeder Baugruppe bietet das Tool Eingabemasken an, beispielsweise zu Bauschichten oder Flächen. Aus diesen Informationen werden dann die voraussichtlich im Gebäude verbauten Baustoffmassen errechnet, aus denen wiederum der Ressourcen- und Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen abgeleitet werden. KuRT dient auch zum Nachweis der Einhaltung der Mindestanforderungen an Faktor X im jeweiligen Baugebiet. Außerdem bietet die Agentur als Grundlage für Bauleute, Planer:innen und Architekt:innen ein kostenloses Bauhandbuch an. Es enthält Prinzipien, Leitlinien und Planungstipps.

Faktor X wurde nicht nur in Eschweiler und Inden erfolgreich umgesetzt. In Bedburg (Rhein-Erft-Kreis) entsteht zurzeit eine weitere Faktor X-Siedlung. Auch in Langerwehe und Linnich gibt es entsprechende Pläne.

Der Grundausbau im Gebiet „Westlich Vöckelsberg“ wird voraussichtlich im August 2021 fertiggestellt. Baureife Grundstücke sollen dann ab dem 1. September zur Verfügung stehen. Die Vermarktung der Einfamilienhaus-Grundstücke durch die Strukturförderungsgesellschaft und RWE Power läuft bereits. Die Nachfrage ist groß: Für alle Bauplätze liegen bereits Reservierungen vor und die ersten Notarverträge wurden schon unterzeichnet.

Nach dem vom Rat der Stadt beschlossenen Grundsatzbeschluss sollen in Zukunft alle Neubauprojekte in Eschweiler soweit möglich nach Faktor X entwickelt und umgesetzt werden. So plant die Stadt aktuell ein drittes Neubaugebiet sowie die Entwicklung eines Faktor X-Gewerbegebietes.